Wer war der heilige Bernhard?

Unser Ordensvater, der heilige Bernhard von Clairvaux Mystiker und Werbestratege

Im Jahre 1090 wurde Bernhard von Fontaine aus ritterlichem Geschlecht unweit von Dijon geboren. Wenn Bernhard auch eine gläubige Erziehung zuteil wurde, so genoss er doch das Leben in vollen Zügen, ehe er plötzlich 1112 an der Pforte des strengen Reformklosters von Cîteaux um Aufnahme bat. Bernhard muss eine unglaublich anziehende Persönlichkeit gewesen sein, denn er kam nicht allein: Dreißig seiner Gefährten und Verwandten hatte er zum Eintritt in den Orden überredet.

Dieser Zustrom von Berufungen war der Aufschwung für das dahinwelkende Cîteaux. Von da an erlebte der Orden eine ungeahnte Blüte, sodass Bernhard mit Recht nach den Vätern Robert, Alberich und Stephan als der zweite Gründer angesehen werden kann.

Eine Explosion von Klostergründungen

Bereits 1115 wurde Bernhard als Abt zur Neugründung des Klosters Clairvaux ausgesandt. Damals war Bernhard 25 Jahre alt. Das Abtsamt sollte er bis zu seinem Tode 38 Jahre lang zum Segen für Clairvaux, den Zisterzienserorden und die ganze Kirche ausüben. Bald zählte die Gemeinschaft in Clairvaux 700 Mönche, sodass man in ganz Europa neue Klöster zu gründen begann.

Als Bernhard 1153 starb, waren allein von Clairvaux aus 67 Klöster gegründet worden, insgesamt zählte der Zisterzienserorden 343 Klöster im ganzen bewohnten Erdkreis. Darunter befand sich auch das 1133 gegründete Heiligenkreuz. Bernhard war eine begeisternde, anziehende und mitreißende Persönlichkeit. Sein schärfster Widerstand galt dem bisher dominierenden cluniazensischen Mönchtum, dessen Luxus und Untreue zur Benediktsregel er heftig kritisierte.

Eine mitreißende Persönlichkeit im Dienst der Kirche

Bernhard lebte die Askese, die er von seinen Mönchen verlangte, selbst so entschieden, dass er sich durch seine Härte und sein stetes Fasten ein unheilbares Magenleiden zuzog, dem er schließlich auch erliegen sollte. Sein scharfer Geist und seine feurige Art machten ihn zur einflussreichsten Persönlichkeit des Jahrhunderts: Er bereitete Synoden und Konzilien vor, kämpfte gegen Irrlehren und bekämpfte heftig den Rationalismus des Petrus Abaelard. Als es zwei Päpste gab, verschaffte er dem rechtmäßigen die Anerkennung, kritisierte aber auch scharf die Verweltlichung des römischen Papsttums und predigte mit großem Erfolg den zweiten Kreuzzug.

Bernhard predigt den Kreuzzug

Bernhards suggestive Kraft war so stark, dass sogar die Menschen in Deutschland sich von seiner Predigt mitreißen ließen, obwohl sie seine Sprache nicht verstanden. Selbst der deutsche König Konrad III. ließ sich zu Weihnachten 1146 im Dom von Speyer von der Kreuzzugspredigt Bernhards begeistern und heftete sich das Kreuz der Kreuzfahrer an.

Als dann der Kreuzzug, zu dessen Teilnahme Bernhard in ganz Europa aufgerufen hatte, durch Korruption und Fehlplanung kläglich scheiterte, nahm er demütig die Schuld dafür auf sich.

Zwischen Kloster und Politik

Mit Entschiedenheit verteidigte er die Juden, als es in den rheinischen Landen zu grausamen Verfolgungen und Untaten kam: „Sie sind lebende Bilder der Leiden des Herrn.“ Wohin Bernhard kam, strömte das Volk zusammen, um den schmalen Mönch in der abgetragenen Kutte zu sehen.

Vor allem aber wollte Bernhard seinen Mönchen Abt und Vater sein. So beklagte er heftig, dass er im Auftrag von Papst und Bischöfen soviel außerhalb des Klosters in der Welt herumziehen musste. Sein hohes Ideal war das Leben der Gottesliebe in der Abgeschiedenheit des Klosters. Dafür konnte er derart viele junge Männer begeistern, dass er als „der Schrecken der Mütter und jungen Frauen“ galt. Seinen Mönchen predigte Abt Bernhard ohne Unterlass von den hohen Werten des Glaubens; über 300 seiner Predigten, eine Reihe von Abhandlungen und 545 Briefe geben davon Zeugnis, dass Bernhard mit Recht von der Kirche als Kirchenlehrer verehrt wird.

Die Entdeckung der „Menschlichkeit“ Christi

Im Mittelpunkt seiner Liebe steht Jesus Christus. Bislang verehrte man Christus vor allem im Bild des unnahbaren Weltenherrschers, nun verlagert Bernhard die Akzente, indem er das konkrete Menschsein Christi verehrt. Die Niedrigkeit des menschgewordenen Gottessohnes, sein Hinabsteigen in die Krippe, in die Entbehrungen des menschlichen Lebens, in die Qual des Kreuzes – das entflammt die Liebe Bernhards: „Jesus kennen, Jesus den Gekreuzigten, das ist der Kern meiner Philosophie.“ Daher wird Bernhard gerne dargestellt, wie der Gekreuzigte sich zu ihm hinabneigt und ihn liebevoll umarmt. Die meisten Statuen zeigen ihn mit den Leidenswerkzeugen.

Die Christusfrömmigkeit Bernhards ist sehr affektiv, gemütsbetont und emotional, sein Predigt- und Redestil ebenso, sodass er später als Doctor mellifluus, als honigfließender Lehrer, tituliert wird. Von der Verehrung der Menschlichkeit Christi ist es ein logischer Schritt zu Verehrung der jungfräulichen Mutter Maria. Sie ist das Aquædukt, die Wasserleitung, durch die uns Christus zugekommen ist, durch die uns folglich auch heute alle Gnade zufließt. Bernhards Marienminne war von glühender Begeisterung.

Bernhard von Clairvaux, ein Kirchenlehrer

Sein Denken kreist vor allem um die Heilige Schrift und ihre Auslegung: das Ziel ist die Erfahrung Gottes und seiner Liebe mit dem Verstand und dem Herzen. Theologische Neuerungen sind ihm suspekt, da er selbst ganz aus der tausendjährigen Tradition der Kirchenväter schöpft.

Die aufbrechende rationelle Theologie, wie sie ihm in Abælard entgegentritt, wird Bernhard daher mit allen Mitteln bekämpfen.

Ein Adler, der in die Sonne blickt

Bernhard nannte sich selbst Mariens getreuer Bernhard. Noch heute sieht man im Fußboden des Domes von Speyer in goldenen Lettern die Anrufung eingelassen: „O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria“, die Bernhard dort während eines Gottesdienstes spontan an das Salve Regina angefügt haben soll.

Von den Anstrengungen seines mönchischen und kirchenpolitischen Wirkens aufgerieben, hager und abgemagert, starb Bernhard von Clairvaux am 20. August 1153 in seinem Kloster. Seine Mönche mussten ihn in aller Heimlichkeit begraben, da sie sonst der Menschenmassen nicht hätten Herr werden können, die den Heiligen noch ein letztes Mal sehen wollten. Schon 1174, einundzwanzig Jahre nach seinem Tod, hat die Kirche Bernhard heilig gesprochen. Später haben große Geister wie Thomas von Aquin und Dante Alighieri, aber auch Martin Luther, ihren Respekt und ihre Verehrung für Bernhard zum Ausdruck gebracht. Das schönste Lob aber hat ihm wohl die heilige Hildegard von Bingen in einem Brief von 1146 gemacht: „Du bist Sieger in deiner Seele und richtest andere zum Heile auf. Du bist der Adler, der in die Sonne blickt.“

“Blicke auf zum Stern des Meeres”
Der eindrucksvollste Text des heiligen Bernhard über Maria

Bernhard wird wegen seiner Liebe zur Gottesmutter Maria oft „Doctor marianus“ genannt; hier sein glühendster marianischer Text:

„Erheben sich die Stürme der Versuchung, befindest du dich inmitten der Klippen der Trübsale, blicke auf zum Stern des Meeres, rufe Maria zu Hilfe! Wirst du auf den Wogen des Hochmutes, des Ehrgeizes, der Verleumdung, des Neides hin und her geworfen, blicke auf den Stern, rufe Maria an. Wenn der Zorn, der Geiz, die Fleischeslust das Schiff deiner Seele hin und her schleudern, blicke auf Maria! Bist du über die Schwere deiner Sünden bestürzt, über den elenden Zustand deiner Seele beschämt, bist du von Schrecken erfasst bei dem Gedanken an das Gericht, beginnst du immer tiefer in den Abgrund der Trostlosigkeit und der Verzweiflung zu sinken, denke an Maria!

Mitten in Gefahren, Nöten und Unsicherheiten denke an Maria, rufe Maria an. Ihr Name weiche nicht aus deinem Mund, weiche nicht aus deinem Herzen! Damit du aber ihre Hilfe und Fürbitte erlangest, vergiss nicht ihr Vorbild nachzuahmen.

Folge ihr, dann wirst du dich nicht verirren. Rufe sie an, dann kannst du nicht verzweifeln, denk an sie, dann irrst du nicht. Hält sie dich fest, kannst du nicht fallen. Schützt sie dich, dann fürchte nichts! Führt sie dich, wirst du nicht müde. Ist sie dir gnädig, dann kommst du sicher ans Ziel!“

Bernhard von Clairvaux, In laudibus Virginis Matris, Homilia 2,17

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