Der barocke Kreuzweg

Schon um 1650 standen auf dem kleinen Plateau über der Gaadener Straße 3 Kreuze, zur Erinnerung an den Kalvarienberg in Jerusalem. 1670 errichteten dann einige Wiener Bürger auf diesem Platz, dem sogenannten Bergl oder Schneiderbergl, eine Kapelle zu Ehren des Gekreuzigten und 1671 ließ Abt Klemens Schäffer daneben ein Eremitenhäuschen bauen.

Beim Türkeneinfall 1683 wurde die sogenannte „Berglkapelle“ zerstört, aber bereits 2 Jahre später aus Spendengeldern der Wiener Bürger wieder errichtet. 1728 wurde das „Kirchl auf dem Schneiderbergl“ vom Heiligenkreuzer Zimmermeister Aegidius Bauer repariert, auch eine Stiege auf den Berg wird erwähnt. So kann man annehmen, das die spätere Treppenanlage an sie anknüpft.

Der prachtvolle barocke Kreuzweg mit den 13 Stationskapellen und der Hauptkapelle der 12. Station wurde in den Jahren 1731 bis 1748 erbaut. Initiator und Bauherr war Abt Robert Leeb, der diesen Kreuzweg zur Erinnerung an seine Pilgerreise ins Heilige Land anlegen ließ. Als junger Priester hatte Abt Robert 1719 den wirklichen Kreuzweg in Jerusalem gesehen und war ihn selbst mit großer Ergriffenheit gegangen. 1729 erwog er nun den Plan, auch in Heiligenkreuz einen Kreuzweg nach dem Vorbild in Jerusalem anzulegen. Die Baubewilligung wurde ihm 1731 durch eine Erklärung Papst Klemens XII. erteilt.

Die 14 Stationen wurden vorerst durch große Holzkreuze gekennzeichnet. Noch im selben Jahr 1731 wurde dieser provisorische Kreuzweg auf dem Schneiderberge von 2 Franziskaner- Patres eingeweiht, in Gegenwart des ganzen Konventes und einer großen Volksmenge. Vor allem Wiener Pilger trugen in den kommenden Jahren durch ihre Spenden zum Aufbau bei. Architekt der baulichen Anlagen war der Wiener Baumeister Franz Anton Pilgram, ein Schüler des berühmten Architekten Lukas von Hildebrandt.

Der örtliche Maurermeister Josef Frauenschuh errichtete die Kreuzweganlage nach den Plänen Pilgrams und erhielt zum Dank von Abt Robert die Lizenz zum Ankauf des Baugrundes neben der 13. Stationskapelle. Dort baute sich Frauenschuh bis 1741 ein Haus (KNr. 5), welches 1957 wegen Baufälligkeit abgetragen wurde. Die Zimmermannsarbeiten an den einzelnen Kapellen führte der örtliche Zimmermeister Matthias Paumgartner durch, die Steinmetzarbeiten an Türen und Fenstergewänden, vielleicht auch die Kartuschen der Stationskapellen, der Heiligenkreuzer Steinmetz Johann Keller und dessen Sohn Peter, ein Patenkind von Giovanni Giuliani.

Die künstlerische Leitung lag in den Händen unseres großen Barockbildhauers Giovanni Giuliani (1664-1744). Schon 1731 wurde in seiner Werkstatt mit der Anfertigung der Statuen begonnen. Von Giuliani selbst ist die Statue des Heilands, die 1974 am Kreuzweg durch eine Kopie ersetzt und in der Stiftskirche aufgestellt wurde. Die Holzreliefs in den 13 Stationskapellen, wahrscheinlich auch der Altar und die Figuren der Hauptkapelle, sind vom Laienbruder Lukas Troger und die 37 Sandsteinfiguren vom Bildhauer Josef Schnitzer. Beide waren Gehilfen von Giuliani.

Die Deckenfresken in den Kapellen und der auf Leinwand gemalte Hintergrund der Reliefs sind vom Laienbruder Matthias Gusner, einem Schüler unseres großen Barockmalers Martino Altomonte. Giuliani selbst hat die Fertigstellung des Kreuzweges nicht mehr erleben können, er starb 1744 und sein Schüler Lukas Troger übernehm die Aufsicht über die weiteren Arbeiten. Ein Teil der Statuen ist erst nach Giulianis Tod entstanden.

Wegen Setzungsschäden musste 1885 zwei Drittel der Hauptkapelle samt Türmchen unter der Leitung des Architekten Dominik Avanzo abgetragen und originalgetreu wieder aufgebaut werden. Das große Deckenfresko von Matthias Gusner wurde nach vorhergehender Aufnahme vom Maler Weigand gänzlich neu gemalt. Eine umfassende Restaurierung des gesamten Kreuzweges erfolgte zuletzt in den Jahren 1988 bis 1993. Während dieser Restaurierungsarbeiten wurden in der Hauptkapelle die 4 holzgeschnitzten Nischenfiguren von Lukas Troger durch Kopien in Hartgips ersetzt und im Stiftsmuseum aufgestellt.

Werner Richter

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