Zisterzienserleben bedeutet, ein Leben in der Gemeinschaft des gewählten Klosters zu verbringen. Diesem Kloster durch die „stabilitas loci“, der Treue zu einem bestimmten Ort, ein ganzes Leben lang anzugehören, dem „Gottesdienst nichts vorzuziehen“ (RB 43,3), wie der heilige Benedikt in der Regel lehrt und in dieser „Schule für den Dienst des Herrn“ (RB Prolog 45) getreu der Berufung durch Christus als Mönch heranzureifen. So gesehen gehört die Pfarrseelsorge nicht eigentlich zur Wesensaufgabe eines Zisterzienserpriesters. Dennoch betreut das Stift Heiligenkreuz mehrere Pfarren in Österreich und in den Prioraten Stiepel und Neuzelle in Deutschland. Die Konstitutionen der Österreichischen Zisterzienserkongregation sagen darüber:
„Die Pfarrseelsorge ist in den österreichischen Klöstern eine historisch gewachsene und von der Kirche gestellte Aufgabe, die wir bejahen. Sie ist ein Lebenselement der Österreichischen Zisterzienserkongregation. Es muss ein gesunder Ausgleich zwischen den pastoralen Arbeiten und den übrigen Elementen des klösterlichen Lebens gesucht werden. In diesem Ausgleich haben gerade unsere Klöster die Chance, dass innerklösterliches Leben und der seelsorgliche Dienst an den Menschen einander bereichern. So werden die Klöster selbst in besonderer Weise Ausstrahlungspunkte christlichen Lebens.“ (ÖZK Art. 84)
Auch unsere Klöster haben also die Aufgabe, sich den Nöten der Kirche in der heutigen Zeit zu stellen, in der konkreten Situation den Aufruf Jesu zu erkennen und sich davon angesprochen zu fühlen. Auch wenn dieser Aufgabenbereich im Gesamtorden eher die Ausnahme darstellt, so erhält er seine Rechtfertigung dadurch, dass er uns nicht nur durch jahrhundertealte Tradition zugewachsen ist, sondern vor allem dadurch, dass es bei dem gegenwärtigen Mangel an Priestern einfach erforderlich ist, dass wir uns im Einsatz der pfarrlichen oder überpfarrlichen Seelsorge engagieren.
Dabei muss allerdings festgehalten werden, dass das Kloster für den als Pfarrer wirkenden Mönch, der somit außerhalb des Hauses lebt, stets Mittelpunkt und Heimat bleibt. Es ist unumgänglich, dass der Mönch bleibend eine lebendige Beziehung zu seinem Kloster, zu seiner Gemeinschaft, zu seiner Geschichte, zu seiner Spiritualität und auch zum Chorgebet unterhält, will er nicht im eigenen Haus zum Fremden werden.
Die Seelsorge in unseren Pfarren ist sehr vielschichtig. Es gehören Pfarren in städtischen Gebieten mit über zehntausend Gläubigen ebenso dazu wie ganz klein Pfarren in Dörfern im Wienerwald, die oft nur an die fünfhundert Gläubige zählen.
Die Seelsorge in unseren Pfarren ist allgemein schwierig, da die Zahl der praktizierenden Christen in kaum einer Gemeinde 30% übersteigt. Man kann jedoch feststellen, dass die Pfarren zum Stift teilweise enge und herzliche Beziehungen unterhalten. Es ist auch die Aufgabe des „Mönchspfarrers“, diese Beziehungen zu intensivieren, ebenso wie es Aufgabe des Stiftes ist, nicht nur einen Pater „abzustellen“ für diese oder jene Gemeinde, sondern dass das Kloster als solches hinter den Aufgaben des Pfarrers steht, wie das bei uns auch wirklich der Fall ist.
Die Pfarrseelsorge darf ein Kloster jedoch nicht personell ausbluten. Das Kloster darf auch nicht bloß Nachschublager für die Seelsorge sein. Es muss ein gesunder Ausgleich in den verschiedenen Arbeitsbereichen gefunden werden, die das Stift zu bewältigen hat. Auf keinen Fall darf das Gotteslob, das in den Klöstern benediktinischer und zisterziensischer Prägung den ersten Platz einzunehmen hat, vernachlässigt werden oder Schaden erleiden, nur weil allzu viele Priester durch auswärtige Aufgaben außerhalb der Kommunität wohnen und leben, wie das bei einem Pfarrer zwangsläufig der Fall ist. Andererseits können die Mönchspriester zisterziensische Spiritualität weiten Teilen der gläubigen Bevölkerung zugänglich machen. Ein Zisterzienserpfarrer wird versuchen, bei allem Verständnis für die Seelsorge, bei aller Volkstümlichkeit, bei all seinen Aufgaben, die nicht unmittelbar denen eines rein beschaulichen Mönches entsprechen, sein Leben nach der Regel des heiligen Benedikt und nach den zisterziensischen Traditionen zu gestalten. Er wird in seiner Kommunität gegenseitige Inspiration suchen und geben, Anfeuerung und brüderliche Hilfe bieten und doch dieses sein Leben ständig den konkreten Erfordernissen der Zeit anpassen.
Immer muss sich ein Zisterzienserpfarrer bewusst sein, dass er das monastische Lebensideal gewählt hat, um in einer speziellen, direkten und radikalen Weise Christus nachzufolgen. Tut er das, so wird seine ihm anvertraute Pfarrgemeinde davon reichen geistigen Gewinn davontragen und so auch näher in dieser „Schule für den Dienst des Herrn“, im erweiterten Sinn, zum Ziel, zu Christus gelangen.